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Gelsenkirchen auf dem Weg zur Smart City

Gelsenkirchen aus der Vogelperspektive mit Blick auf das Open Innovation Lab, das Testlabor der Smart City Projekte der Stadt.

Das Open Innovation Lab als Testlabor für Gelsenkirchen von oben. Foto: Hans Blossey, Stadt Gelsenkirchen

Gelsenkirchen hat sich schon früh auf den Weg gemacht, Smart City zu werden. Mit dem Start der Open Data-Plattform 2017 steht das Thema Smart City in der Stadt unter der Marke „Gelsenkirchen – die Vernetzte Stadt“. Denn das ist der Grundgedanke bei der digitalen Transformation in der Stadt, sagt tMarlene Damerau, Bereichsleiterin Vernetzte Stadt bei der gkd-el der Stadt Gelsenkirchen: „Dieser Ansatz wurde entwickelt, weil der Gelsenkirchener Anspruch, über den einer von rein technischen Anwendungen geprägten Vorstellung einer Smart City hinausgeht. Die Digitalisierung soll Menschen und Institutionen verbinden, große Unternehmen, den Mittelstand und Startups, Vereine und Verbände, soziale Initiativen sowie Kultur- und Bildungseinrichtungen. In der vernetzten Stadt soll Digitalisierung ein wesentlicher Antrieb nicht nur für Wirtschaftswachstum sein, sondern auch für eine soziale und partizipative Stadtentwicklung.“ Aus diesem Grund wurde auch die integrierte Strategie der digitalen Stadt Gelsenkirchen mit vielen verschiedenen Akteuren gemeinsam entwickelt, der Bedarf der unterschiedlichen Gruppen wurde ermittelt und strukturiert und aus diesen Ergebnissen fünf Leitthemen zusammengefasst:

- Digitale & Bürgerorientierte Verwaltung

- Energie & Umwelt

- Lebensqualität & Teilhabe

- Smarte & Nachhaltige Mobilität

- Smarte Wirtschaft

Das Open Innovation Lab stellt ein sechstes Leitthema dar und ist das Reallabor, in dem verschiedene Projekte und Use Cases auf dem Weg zur Smart City ausprobiert werden können. Alle sechs Themen stehen für die prioritären Entwicklungsstränge für die Zukunft der Vernetzten Stadt bis 2030, so Marlene Damerau.

Konkrete Projekte der Vernetzten Stadt

Das erwähnte Open Innovation Lab, kurz OIL, ist ein wichtiger praktischer Baustein, um die Projekte auf dem Weg zur Smart City umzusetzen. Ziel der Smart City ist es, mit Hilfe technischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Innovationen eine Stadt effizienter und fortschrittlicher zu gestalten. Diese können im OIL erprobt werden, sagt Damerau: „Regionale Akteure aus Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft finden im OIL ein Experimentierfeld vor, ein in sich geschlossenes Testareal, das ihnen aufgrund seiner einzigartigen Infrastruktur die Möglichkeit bietet, übertragbare und gebrauchstaugliche Smart-City-Lösungen zu entwickeln und zu erproben. Das passiert über Anwendungsfälle, sogenannte Use Cases – zum Beispiel in Bereichen wie Verkehr, Bildung, Gesundheit, Sport, Großveranstaltungen, Abfallentsorgung, Beleuchtung, Parkraumbewirtschaftung, Wasserversorgung und Energie.“ Überzeugen die Projekte im OIL, werden sie werden sie in den Stadtraum übertragen. Eines dieser Projekte ist beispielsweise die Umweltsensorik. Mehrere Sensoren haben im OIL unter Reallaborbedingungen Messgrößen wie u.a. Temperatur, Niederschlag oder Windrichtung ermittelt. Nachdem die ausgewerteten Messparameter überzeugt haben, wurde das Umweltsensornetz auf das gesamte Stadtgebiet ausgerollt. Zur Standortauswahl sind innerhalb der Stadt verschiedene Klimatope, wie z.B. Innenstadtbereich, Gewerbegebiet und naturnahe Fläche, identifiziert worden. Hierdurch wird es möglich, Erkenntnisse aus einem bestimmten Raumtyp auf ähnliche Räume in der Stadt zu übertragen. Via LoRaWAN werden die Daten in einer Datenbank gesammelt, auf einem Dashboard dargestellt und derzeit bereits in ersten Klimaanalysen ausgewertet. In Zukunft kann so datenbasiert mit Blick auf den Klimaschutz und Klimaanpassungen in der Stadt geplant werden.

Die Datenübertragung spielt aber nicht nur via LoRaWAN in Gelsenkirchen eine Rolle, sondern auch der Glasfaserausbau kommt hier mit großen Schritten voran. Seit mehr als 10 Jahren baut die Stadt das Glasfasernetz mit dem ortsansässigen IT-Unternehmen GELSEN-NET aus. Die fast 90 Schulen der Stadt sind bereits ans Glasfasernetz angeschlossen und mit der Gigabitförderung „Weiße-Flecken-Programm“ für Glasfaser werden in naher Zukunft auch die restlichen Gewerbegebiete in Gelsenkirchen ans Glasfasernetz angebunden sein.

Im Rahmen des Bundesförderprogramms Modellprojekte Smart Cities vom BMWSB werden derzeit sieben weitere Projekte in der Stadt umgesetzt. Die erwähnten Umweltsensoren werden unter dem Motto „GE grünt“ zu einem ganzen Sensornetz erweitert und die Daten auf einer urbanen Datenplattform zusammengeführt. Diese Daten können im nächsten Schritt für das Grüne Bürgerbudget genutzt werden: „Akteure aus der Stadtgesellschaft und aus der Verwaltung werden gemeinsam Aspekte wie Ablauf und Auswahlkriterien erarbeiten und so gemeinsam Klimaanpassungsmaßnahmen wie zum Beispiel gegen den Hitzeinsel-Effekt im Stadtgebiet anstoßen.“

Schon jetzt werden die Menschen in Gelsenkirchen auf verschiedene Weise beteiligt, bislang jedoch dezentral und oft analog. Ziel eines weiteren Projekts ist daher der Aufbau einer gesamtstädtischen Online-Beteiligungsplattform, die alle Beteiligungsmöglichkeiten wie Umfragen, Abstimmungen, Dialoge etc. zentral bündelt und die auf die Bedürfnisse der Stadtverwaltung und Menschen in Gelsenkirchen zugeschnitten ist. 

Zu GE bewegt:

Als ein weiteres Projekt wird in „GE innoviert“ die Gründung eines Anwendungszentrums für künstliche Intelligenz mit dem Fokus auf kommunale Lösungen betreut. Als Leuchtturmprojekt soll Gelsenkirchen als zentrale Anlaufstelle für Entwicklungsprojekte im Ruhrgebiet und darüber hinaus dienen. Aufgebaut wird ein Innovationsökosystem, bei dem sich das Anwendungszentrum für künstliche Intelligenz neben einem Innovationszentrum unter anderem als ein Baustein versteht. In diesem Zusammenhang entwickeln wir - im Rahmen unserer Teilnahme an der Intelligent Cities Challenge (ICC) der EU-Kommission - sogenannte "Local Green Deals" - ein maßgeschneiderter Aktionsplan auf lokaler Ebene, der darauf abzielt, die grüne Transformation unserer Stadt zu beschleunigen und zu skalieren. Wir fassen verschiedene lokale Entwicklungspläne in einem klaren und koordinierten Ansatz zusammen, um die Ziele des EU Green Deals vor Ort und mit der Umsetzung die Ziele des Anwendungszentrums für KI zu verwirklichen.

Im Projekt „GE bewegt“ wird ein Datenraum für Mobilitätsdaten entwickelt, um die Datennutzung in der Planung zu optimieren und zukunftsorientierte sowie nachhaltige Mobilitätsformen stärker in den Fokus zu rücken. Zudem wird die Verbindung der Straßenbahnlinie 302 zwischen Gelsenkirchen und Bochum genutzt, um mit Hilfe von Augmented Reality (AR) an ausgewählten Haltestellen Smart-City-Themen sowie innovative und zukunftsgerichtete Themen aus den Bereichen Stadtentwicklung, Mobilität, Umwelt und Verwaltung im Wahrsten Sinne des Wortes „erfahrbar“ zu machen.

Die Maßnahme „GE sichert“ hat zum Ziel mit Hilfe von anonymisierten Bewegungsdaten Personenströme im Umfeld der Veltins Arena, insbesondere zwischen Arena und der ÖPNV-Haltestelle, für Einsatzkräfte darzustellen und unter Sicherheitsaspekten zu steuern. Es entsteht ein Live-Lagebild zur Erhöhung der Sicherheit vor Ort durch Lenkung von Besuchenden zum Schutz vor potenziell gefährlichen Stauungsereignissen.

Das Projekt „GE säubert“ zielt auf eine sozio-technische Lösung zur Reduzierung illegaler Müllablagerungen und wilde Müllkippen auf Gelsenkirchener Stadtgebiet.

Der Aufbau eines Multiband-Mesh-Netzwerks (WiFi-6) ist Ziel von „GE vernetzt“. Es kann beispielsweise zur Lösung mobilitätsrelevanter Probleme wie zum Beispiel der Erhöhung der Fußgängerfreundlichkeit im Sinne der nachhaltigen Verkehrsplanung) oder zum Crowdmanagement eingesetzt werden.

Eine Übersicht der Projekte, die im Rahmen des Förderprogramms Modellprojekte Smart Cities umgesetzt werden, gibt es hier.

Vom digitalen Zwilling bis zur City-App

Um Projekte und Ideen besser einschätzen zu können, arbeitet Gelsenkirchen mit einem digitalen Zwilling der Stadt – mit Hilfe von strukturierten Geodaten, statistischen Informationen, Bildern, Videos und Laserscandaten ist über die Jahre eine digitale Version von Gelsenkirchen entstanden. Sie hilft unter anderem bei der Weiterentwicklung der Stadt auf planerischer Seite.

Um ganz praktisch die Schritte auf dem Weg zur Smart City für die Bürgerinnen und Bürger erlebbar zu machen, setzt Gelsenkirchen auf eine City-App. Die App bietet einen leichten Zugang zu verschiedenen Inhalten und Services der Stadt – so haben die Menschen aktuelle News, Veranstaltungsinfos, den Mängelmelder oder auch die aktuellen Termine der Müllabfuhr direkt auf dem Handy in der Hosentasche. Das Besondere – die App ist smart und passt sich den Nutzerinnen und Nutzern mit der Zeit ein.

Und selbst die Bäume in Gelsenkirchen haben eine eigene App – mit Hilfe der Baum-App informiert und fördert die Stadt bürgerschaftliches Engagement. Alle Bäume außerhalb der städtischen Waldflächen sind in der App festgehalten. Die Bürgerinnen und Bürger können Infos abrufen und mit wenigen Klicks zum Gießpaten werden. Per App melden sich die Nutzerinnen und Nutzer an und kümmern sich um „ihren“ Baum: „So können Anwohnerinnen und Anwohner insbesondere in länger anhaltenden Trockenphasen in den Sommermonaten die Bewässerung und Pflege unterstützen und einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt des gesunden Stadtklimas beitragen“, sagt Damerau.

Bestandsaufnahme, Vernetzung und Förderprogramme

Eins ist in Gelsenkirchen schnell klar geworden – Digitalisierung geht nicht allein und nur von einer Stelle aus. Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, weshalb in der Stadt schnell ein Austausch mit unterschiedlichen Stakeholdern organisiert wurde. Das rät Damerau auch allen Kommunen, die sich mit dem Thema Smart City/Smart Region beschäftigen: „Bei einer ersten Bestandsaufnahme wird sichtbar, wie hoch der Digitalisierungsgrad in der eigenen Kommune oder Region bereits ist und an welchen Stellen sich einfache Anknüpfungspunkte zu den Themen Digitalisierung und Smart City bieten. Über schnell umsetzbare Projekte können ‚quick wins‘ erzielt werden, die dabei helfen, den digitalen Wandel zeitnah sicht- und spürbar zu machen.“

Das Thema Digitalisierung kommt für Damerau nicht einfach nur zu allen anderen Themen der Stadtentwicklung dazu. Stattdessen wird ein Lernprozess in Gang gesetzt: „Es entstehen neue Kulturen des Austausches und der Zusammenarbeit.“

Eine große Stütze auf dem Weg zur Smart City sind die unterschiedlichen Förderprogramme auf Länder-, Bundes- oder EU-Ebene, von denen Gelsenkirchen profitiert: „Diese dienen nicht nur der Anschubfinanzierung, sie bieten auch die Möglichkeit Wissen und Kompetenzen aufzubauen und anhand von Digitalisierungsprojekten konkret an der nachhaltigen Stadtentwicklung zu arbeiten. Hierbei haben wir die Erfahrung gemacht: Kein Use Case ohne Stakeholder! Entwickeln Sie Projekte in Zusammenarbeit und klären Sie die Zuständigkeiten. Stellen Sie dabei die Synergieeffekte in den Vordergrund und planen Sie konkret so, dass künftig Arbeitsentlastungen durch effizientere Verfahren und integrierte Planungsprozesse entstehen. Wichtig ist dabei auch, dass Technik nicht um der Technik willen angeschafft wird, sondern lediglich zur Umsetzung von Anwendungsfällen mit Alltagsbezug und konkretem Nutzen dient.“

Und zuletzt gilt für Marlene Damerau: „Tue Gutes und sprich darüber! Eine stetige Kommunikation nach Innen und nach Außen sorgt dafür, dass sich die Beteiligten ernst genommen fühlen und auch (Noch-)Nicht-Beteiligte motiviert werden können. Durch die Möglichkeit zur Rückmeldung von Stakeholdern werden die Projekte stetig weiterentwickelt, damit die Nutzenden möglichst gute Lösungen zur Verfügung gestellt bekommen.“

Technikbotschafter*innen bringen Licht ins Dunkle

Um so viele Menschen wie möglich beim Thema Digitalisierung mitzunehmen, setzt Gelsenkirchen über den Generationennetz e.V. auf die Hilfe von Technikbotschafter*innen. Die Freiwilligen stehen den insbesondere älteren und hilfebedürftigen Menschen der Stadt bei allen Fragen rund um Hard- und Software-Technik mit Rat und Tat zur Seite: „Technik bietet Möglichkeiten das Leben zu bereichern, wenn man sie nutzen kann. Unsere Technikbotschafter*innen können Ihnen komplexe Probleme in einer einfachen Sprache erläutern.“ Und wenn sie mal selbst nicht weiterwissen, können sie Kontakte zu Expertinnen und Experten vermitteln, damit niemand ratlos vor Tablet, Router oder dem Skypechat zurückbleiben muss. Das Projekt bietet einen wichtigen Anknüpfungspunkt, um möglichst alle Zielgruppen an den Maßnahmen zu beteiligen, Gelsenkirchen als Smart City zu etablieren.

Smart City als Multi-Stakeholder-Ansatz

Auch wenn in Gelsenkirchen schon viele Prozesse in Sachen Smart City angestoßen und umgesetzt wurden, am Ende des Weges ist die Stadt noch lange nicht, betont Damerau: „Der digitale Wandel ist durch immer neue Entwicklungen und technologischen Fortschritt als laufender Prozess zu sehen. Dabei geht es aber auch um die Anpassung der kommunalpolitischen Steuerung an sich verändernde Anforderungen, um Problemlösungen im Bereich der Stadtentwicklung in Form eines Multi-Stakeholder-Ansatzes, also als Aushandlungsprozess zwischen allen Anspruchsgruppen unserer Stadt, zu ermöglichen. Stichwort: Das Aufbrechen verwaltungsinterner Silos durch sektorübergreifende Kooperationen.“

Außerdem sei auch die Stadtverwaltung bei diesem Prozess im Wandel: „Anforderungen an unsere Stadtverwaltung werden auf Grund der Geschwindigkeit der Digitalisierung schneller, unkalkulierbarer, komplexer und schwerer vorauszusehen. Daher müssen wir gemeinsam daran arbeiten, die richtigen und notwendigen Lösungswege besser in die Arbeit unserer Verwaltung zu integrieren. Die Organisationskultur muss eine schnelle Reaktionsfähigkeit zulassen und die Offenheit für das Denken in unkonventionellen, wie innovativen Lösungen für die Herausforderungen unserer Stadt ermöglichen. Gleichzeitig müssen Funktions- und Rechtssicherheit der Verwaltungsarbeit sowie die repräsentativen demokratischen Entscheidungsprozesse aufrechterhalten werden. Insgesamt muss ein Klima der fach- und beteiligungsübergreifenden Kollaboration innerhalb unserer Verwaltung wie auch mit externen Stakeholdern und Partnern geschaffen werden.“

Kurzum: „Es geht um den Mut, neue Wege zu beschreiten und ausgetretene Pfade dabei zu verlassen, sowie um die Bereitschaft, den Blick über den Tellerrand zu wagen und gemeinsam in einem kollaborativen Ökosystem von Partnern unseren aktuellen und zukünftigen Herausforderungen lösungsorientiert zu begegnen.“, schließt Damerau.

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