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Interview mit dem Dänischen Botschafter Friis Arne Petersen

Interview mit Jochen Partsch

Sie sind seit 2015 Botschafter in Deutschland. Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der Verwaltung in Deutschland gemacht?

Die deutsche Verwaltung ist auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen sehr effektiv und verantwortungsbewusst. Wir befinden uns in einem Land, das eine zentrale Verwaltung auf höchstem Niveau für den Bund und eine dezentrale Verwaltung für die Länder besitzt. Die Entwicklungsstufe eines Landes lässt sich meist daran bemessen, wie deren öffentliche Verwaltung funktioniert. Die Herausforderung für die Verwaltung in Deutschland sind heute die moderne Digitalisierung und der Einsatz der neuesten Technologien. Offenbar sind wir bei diesem Thema in Dänemark schon ein bisschen weiter. Wir haben uns schneller getraut, pragmatische Entscheidungen zu treffen. Wir waren früh davon überzeugt, dass es besser sei, auf digitale Techniken zu setzen und diese auch in der Bürokratie einzusetzen. Wir haben erlebt, dass wir mehr schaffen und dafür weniger Zeit sowie Ressourcen benötigen. Wir haben bei dieser Transformation auch durchaus Fehler gemacht. Aber die generelle Entwicklung würde eine klare Mehrheit der Dänen eindeutig positiv bewerten.

In Dänemark funktioniert die öffentliche Verwaltung schon lange digital. Die Bürger kommunizieren mit dem Staat vor allem online. Wie hat Dänemark das geschafft?

Diese Art der Kommunikation zwischen Bürger und Staat ist schlicht und ergreifende am einfachsten und am schnellsten. Auf die Digitalisierung zu setzen, war für uns zunächst daher vor allem eine pragmatische Lösung. Es stellte sich aber schnell heraus, dass dies auch der effizienteste Ansatz ist. Deshalb ließ sich auch beobachten, dass die Zufriedenheit der Bürger mit dem Einsatz digitaler Werkzeuge stieg, weil die Bürger nun beispielsweise nicht mehr bei den entsprechenden Ämtern Schlange stehen mussten. So spart man Zeit. Ja, konkret erhält man dadurch sogar mehr Freizeit, da alle Dänen ihre Kinder online im Kindergarten anmelden oder ihre Steuererklärung übers Internet einreichen können. In Dänemark haben wir zunächst ohne große ideologische Erwägungen entdeckt, dass diese Form der Kommunikation einfach ein praktisches und effektiveres Werkzeug darstellt.

Im Gegensatz zu Dänemark gibt es in Deutschland noch viele Vorbehalte bei der Digitalisierung, vor allem wenn es um persönliche Daten geht. Worauf führen Sie es zurück, dass die Dänen der Digitalisierung so offen gegenüberstehen?

Viele Deutsche haben meiner Meinung nach eine berechtigte Skepsis, wenn es um Digitalisierung, persönliche Daten sowie deren Verwaltung und Schutz geht. Wir Dänen haben dieses Thema zunächst recht unbeschwert behandelt. Aber natürlich haben wir schnell begriffen, dass die Verwaltung persönlicher Daten mit viel Sorgfalt geschehen muss. Die deutsche Geschichte erklärt in diesem Zusammenhang sehr gut, warum die Zurückhaltung vieler Deutscher größer ist als in anderen Ländern. Vor dieser Einstellung haben wir in Dänemark großen Respekt. Wir haben in Dänemark diese Zurückhaltung aber nicht und daher haben wir uns auf dem Gebiet der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung auch weiter nach vorn getraut. Wir haben große Fortschritte erreicht, dabei aber auch durchaus Fehler gemacht. Wir haben aber schnell aus diesen Fehlern gelernt und kümmern uns heute sehr um die Sicherheit und die Verwaltung der persönlichen Daten. In unserer heutigen digitalen Infrastruktur mit den wichtigen Pfeilern „Nem-ID“ als eindeutiger digitaler Identifizierung und mit „digital Post“, als digitalem Postkasten, der direkt mit dem Zentralen Personenregister Dänemarks verbunden ist, geschieht die gesamte Kommunikation des Bürgers mit dem Finanzamt, mit dem Kindergarten, mit der Schule, also mit allen staatlichen Stellen online. Eine unschöne Konsequenz ist, dass die dänische Post fast pleitegegangen wäre. Und auch wenn es heute fast unmöglich ist, in Dänemark eine Briefmarke oder einen Briefumschlag zu kaufen, so ist die ganze Entwicklung natürlich eine riesen Erleichterung für den einzelnen Bürger.

Wenn in Deutschland das Wort Digitalisierung fällt, ist der Ruf nach dem Datenschutz nicht weit. Wie gehen Sie mit dem Thema Datenschutz in Dänemark um? Was erzählen Sie den Menschen, die Sorge um ihre Daten haben, wenn alles digital verfügbar ist?

Diese Frage ist absolut berechtigt. Es entspricht auch meinen Erfahrungen in Deutschland, dass bei der Digitalisierung sofort das Thema Datenschutz genannt wird. In Deutschland hat es scheinbar so große Bedenken beim Datenschutz gegeben, dass es einen Einfluss auf die Geschwindigkeit und die Tiefe der Digitalisierung hatte. In Dänemark sind die Assoziationen mit diesem Begriff jedoch andere. Wir haben uns da ein wenig weiter getraut. Bei uns ist das das Thema Digitalisierung aber auch mit anderen Begriffen wie beispielsweise Pragmatismus, Effizienz und Transparenz besetzt. Ganz einfach mit einer besseren Verwaltung. Heute kommt dann auch noch die Sicherheit, also der Datenschutz dazu. Hier haben die dänischen Bürger ebenso große Erwartungen an unseren Staat – und dies auch zu Recht. Man sollte aber nicht vergessen, dass wir in Dänemark bereits sehr weit bei der Digitalisierung vorangekommen sind und sich durch diese Entwicklung natürlich neue Fragestellungen und Aufgaben ergeben.

Wir sind in Europa wahrscheinlich das Land, das bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung am weitesten gekommen ist. Also, im Großen und Ganzen. Viele glauben, dass Estland hier vorn liegt. Aber in der Übersicht der EU-Kommission über die gesamte Digitalisierung der Verwaltung liegt Deutschland fast gleichauf mit Estland. Während Dänemark, Niederland und Schweden eine markant höhere Bewertung erhalten. Werfen Sie mal einen Blick auf die Homepage der EU-Kommission zum „Digitalized Economy Index“. Die Zahlen dort sind sehr interessant und aussagekräftig.

Im Takt der Digitalisierung in Dänemark ist auch das Bewusstsein für den Schutz der digitalen Daten in den letzten Jahren gewachsen. Und das ist richtig und gut. Viele in Dänemark sind im Übrigen davon überzeugt, dass mit den modernen, digitalen Systemen auch die Möglichkeiten des Schutzes gestiegen sind. Ganz allgemein muss festgehalten werden, dass die digitale Transformation immer als ein Prozess verstanden werden muss, der laufend optimiert und prinzipiell als nie abgeschlossen gilt. Wir werden also auch in Zukunft daran arbeiten, die Kommunikation zwischen Bürger und Staat zu vereinfachen sowie gleichzeitig die Sicherheit und Verwaltung der Daten weiter zu verbessern.

Welches Beispiel der Digitalisierung würden Sie nennen, dass Ihren Alltag ganz praktisch erleichtert?

Die praktischen Erleichterungen spüre ich ja fast an jedem Arbeitstag. Als Botschafter Dänemarks bin ich sehr viel in ganz Deutschland unterwegs. Nicht nur Schleswig-Holstein und Hamburg, zwei Bundesländer zu denen wir traditionell auch auf Grund der geografischen Nähe enge Verbindungen pflegen. Meine Reisen führen mich aber auch in den Süden, Westen oder Osten der Bundesrepublik. Gerade beim Warten am Flughafen oder Bahnhof ist es schon großartig, wenn man Mails beantworten, sich die neuesten Medienberichte aus dem Netz ziehen oder eben einfach all die Kommunikationsmöglichkeit, die ein modernes Smartphone bietet, nutzen kann. Eine der wichtigsten Quellen, um ein Land zu verstehen, sind seine Medien. Deutschland besitzt beispielsweise einige der besten Zeitungen der Welt und es ist einfach nur toll, wenn ich mal ein, zwei Stunden warten muss, auf Reise oder unterwegs bin, diese Zeit dann effizient zu nutzen und sich mit den neuesten Artikeln über den letzten Stand der bundesdeutschen Politik zu informieren. Im Übrigen spart man so natürlich auch sehr viel Papier. Es ist einfach nachhaltiger, sich die Nachrichten auf einem Tablet oder Smartphone anzuschauen und nicht auf Papier. Die „papierlose Verwaltung“ haben wir auch an der Botschaft eingeführt, so dass sehr modern arbeiten können, weniger ausdrucken und mehr digital verarbeiten. Digital bedeutet also immer auch umweltfreundlich.

Dänemark ist Partnerland der Smart Country Convention. Was werden Sie auf der Smart Country Convention zeigen? Worauf freuen Sie sich?

In meiner Position nimmt das politische Tagesgeschehen sehr viel Einfluss auf den Arbeitsalltag. Daher ist es für mich ganz entscheidend, dass Deutschland sich diesem wichtigen Thema der öffentlichen Digitalisierung widmet. Man hat in ihrem letzten Bundestagswahlkampf gesehen, wie wichtig auch die politischen Parteien dieses Thema nehmen. Kanzlerin Angela Merkel und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner haben ja wirklich sehr auf dieses Thema gesetzt und es zu einem Schwerpunkt in der deutschen Politik gemacht. Dementsprechend ist es natürlich die Aufgabe der politischen Führung des Landes einen neuen, strategischen Kurs hierfür abzustecken. Es wird daher jetzt eines der vornehmsten Themen sein, eine strategische Herangehensweise an die Digitalisierung der deutschen Gesellschaft zu etablieren – inklusive Datenschutz und der Nutzung neuester Technologie, aber auch all den Herausforderungen zum Trotz, die in einer föderalen Struktur liegen. All das erfordert Reformen. Rechtliche Reformen und Veränderungen in der Bürokratie. Wir stehen hier bei vielen Themen auch in Dänemark noch am Anfang. Aber die Möglichkeiten sind schon jetzt erkennbar und ich freue mich sehr auf den Austausch von Ideen, die sich auf Grund einer Plattform wie der Smart Country Convention schon von ganz allein ergeben werden.

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