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Gastbeitrag: Die OZG-Umsetzung und die Kommunen - Von bunten Blumen und Graswurzeln

Frauke Janßen_Beauftrage für Digitalisierung des Deutschen Städtetages

Viel Zeit bleibt nicht mehr bis zur OZG-Deadline: Wo die Kommunen stehen und worauf es jetzt ankommt, erfahren Sie in ihrem Gastbeitrag.

Jüngst wurde an dieser Stelle bemerkt, dass Bund und Länder von der Erreichung des OZG-Umsetzungsziels noch rund 1000 Tage trennen. Diese 1000 Tage müssen genutzt werden, um die in den Digitalisierungslaboren entworfenen Prototypen, Minimal Viable Products (MVPs) oder FIM-basierten pdf-Dokumente in nachnutzbare Software umzusetzen und diese dem Nutzer zur Verfügung zu stellen. Wie stellt sich das aktuelle Szenario dar? Angesichts der sommerlichen Temperaturen mag eine botanische Metapher erlaubt sein: Es finden sich viele bunte Blumen. Die Länder betreiben die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes zunächst innerhalb ihrer eigenen IT-Landschaft und entwickeln und betreiben in diesem Rahmen ihre je eigenen Online-Services in ihrer je eigenen Portallandschaft. Es entstehen also verschiedene IT-Gärten, in denen die bestehenden IT-Strukturen gehegt und gepflegt werden. Darüber hinaus zeichnen sich die Länder als Federführer im OZG-Umsetzungsprogramm des IT-Planungsrats für einzelne Leistungsbündel verantwortlich, die im Rahmen der Digitalisierungslabore umgesetzt werden sollen. Diese Labore produzieren einzelne Blütenträume, deren Saat zunächst einmal nur im Garten des jeweiligen Federführers aufgehen kann. Nicht zum ersten Mal in der Geschichte des eGovernment stellt sich daher die Frage der Nachnutzbarkeit.

Zielbild „Einer für Alle“

Sowohl der IT-Planungsrat als auch die Ministerpräsidenten und das Kanzleramt bekennen sich zum Zielbild „Einer für Alle“: Bund, Länder und Kommunen sollen arbeitsteilig-kooperativ vorgehen und sich in die Lage versetzen, die jeweils entwickelten Software-Produkte wechselseitig zu nutzen. Die Standardisierung von Software ist hier das Mittel der Wahl. Neben der Definition unterschiedlicher Datenstandards werden weitergehende kooperative Instrumente diskutiert, so z.B. die gemeinsame Entwicklung und der gemeinsame Betrieb von Software (Software as a Service) oder - so der Vorschlag des Deutschen Landkreistages - die Entwicklung von Software mit hoher Kompatibilität, die in sehr unterschiedlichen IT-Umgebungen lauffähig ist (Microservices).

1. Von Entwicklungsgemeinschaften und Austauschplattformen

Zur Umsetzung dieser Nachnutzungsmodelle sollen sich Entwicklungsgemeinschaften und Umsetzungsallianzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen formieren. Die kommunalen Spitzenverbände, Federführer im Themenfeld „Engagement und Hobby“, befördern eine länderübergreifende „Entwicklungsgemeinschaft eWaffe“, d.h. eine länderübergreifend kooperative Entwicklung und einen einheitlich übergreifenden Betrieb der im Waffenwesen erforderlichen Online-Anträge. Einzelne Umsetzungsallianzen, die zumeist aus zwei Bundesländern bestehen, formieren sich - in Ansätzen - in anderen OZG-Themenfeldern. Die FITKO AöR ergänzt diese Überlegungen mit dem Vorschlag eines sog. FIT-Store, einem zunächst rechtlichen Nachnutzungsrahmen, der es Bund und Ländern ermöglichen soll, über die FITKO AöR und damit befreit von vergaberechtlichen Herausforderungen Online-Services wechselseitig auszutauschen und zu nutzen. Die technische Grundlegung für diesen FIT-Store, d.h. eine technische Austauschplattform, ist in diesen Vorschlägen zumindest angedacht, wenn auch noch nicht unterlegt. Auch die Anregungen des BMI, eine föderale Cloud für Open Source und andere, nicht proprietäre Software-Anwendungen zu schaffen, um die nationale digitale Souveränität zu stärken, lassen sich als einen ersten Schritt in Richtung Austauschplattform verstehen. Zwingend ist hier, dass keine exklusiven Bund-Länder-Strukturen entstehen, sondern dass die Kommunen mit ihren vielen Anwendungen und Applikationen einen unmittelbaren Zugang zu dieser Infrastruktur erhalten.

2. Beharrungstendenzen und Wirtschaftsinteressen

Diese Blütenträume treffen allerdings bislang auf kühle wirtschaftliche Kalkulationen. Für die Länder stellt sich die Frage, ob eine Umsetzung allein im eigenen Garten in der Summe nicht günstiger ist als eine länderübergreifende Kooperation. Bislang herrscht die deutliche Tendenz vor, die geplanten Online-Services im jeweiligen Land oder doch zumindest mit dem bekannten und bewährten jeweiligen IT-Dienstleister umzusetzen. Übergreifende Ansätze entwickeln sich lediglich dort, wo die beauftragten IT-Dienstleister über ein entsprechend übergreifendes Geschäftsgebiet verfügen. Länder-Kooperationen folgen, so scheint es, der Logik des Marktes, nicht dem Primat der Politik.

Kommunaler Ansatz: Durchlässigkeit, Modularität und Bündelung

Und die Kommunen? Die Kommunen haben ein großes Interesse daran, dass IT-Landschaften durchlässiger werden. Gute IT-Lösungen dürfen nicht auf Landes-Silos beschränkt sein, sondern müssen bundesweit zur Verfügung stehen, die Kommunen wünschen sich einen Marktplatz guter Lösungen. Konkurrenz belebt das Geschäft, sichert Qualität und Preiskontrolle. Deshalb fordert der Deutsche Landkreistag Microservices als Standard für neue Software, deswegen unterstützen die Kommunen Ideen länderübergreifender Austauschplattformen für Online-Services. Und deswegen unterstützt der Deutsche Landkreistag alle Bemühungen um eine stärkere Konvergenz der Verwaltungsportale.

Angesichts der Widerstände und Beharrungskräfte der bestehenden IT-Landschaften stellt sich die Frage, was selbstbewusste Kommunen tun können, um der geschilderten Markt-Logik zu entkommen. Das Ziel muss eine sehr viel stärkere Bündelung der kommunalen Online-Services sein – und dies jenseits der bestehenden föderalen Grenzen und jenseits der existierenden Marktgrenzen. Nichts spricht dagegen, einen eigenen kommunalen Marktplatz guter Lösungen aufzubauen und sich so ein Stück weit kommunale Souveränität zu erkämpfen. Das wäre dann eine echte Graswurzelbewegung.

Fazit

Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in den Kommunen wird nur mit einer angemessenen Finanzausstattung realisiert werden können. Hier sind Bund und Länder gefordert – das Digitalisierungsbudget muss substanziell erhört und auch zur konkreten Anbindung kommunaler Fachverfahren nutzbar sein. Darüber hinaus gilt es, das Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Geografie im digitalen Staat relativ ist und eine Bündelung von IT auf kommunaler Ebene einen echten Beitrag zur Umsetzung des Zielbildes „Einer für Alle“ darstellen kann. Als öffentlicher Auftraggeber sollten die Kommunen sehr viel stärker als bisher auf Modularität und Nachnutzbarkeit drängen.


Der Gastbeitrag ist bereits im Behörden Spiegel Juni 2020 erschienen.

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