Größte Problemkinder sind die mittelgroßen Städte
Sind Großstädte bei der Nutzung und Entwicklung von Künstlicher Intelligenz vorn? Welche Chancen haben kleinere Landkreise – und wer ist abgehängt? Die Antworten aus der Praxis überraschen.

Volles Publikum beim Panel „KI für Stadt und Land“ auf der Smart Country Convention: Expertinnen und Experten diskutieren, wie KI Städte und Landkreise smarter machen kann. Foto: Messe Berlin
Smart sind Stadt und Region nur, wenn sie KI klug und innovativ einsetzen – und das bei sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen. Wie diese derzeit in den Kommunen aussehen, zeigte das Panel „KI für Stadt und Land: Verschieden starten, gemeinsam gestalten“, eröffnet von einem Impulsvortrag von Björn Niehaves.
Niehaves ist Professor für Informatik an der Universität Bremen und leitet dort die Forschungsgruppe „Digitale Transformation öffentlicher Dienste“, die aktuell 44.290 Mitarbeitende der öffentlichen Verwaltung aus mehr als 30 Groß-, Mittel- und Kleinstädten sowie Landkreisen zur Nutzung von KI befragte. Er stellte seine Kernthesen dazu vor, inwieweit sich der Einsatz von KI gemeinsam gestalten lässt – und wer dabei Vorreiter ist.
• 80 Prozent aller KI-Produkte und -Projekte sind in allen Kommunen in einer bestimmten Form relevant, egal ob Stadt oder Land.
• Innerhalb der Kategorien sind die Unterschiede größer als zwischen Stadt und Land. So sieht es in Großstadt A deutlich anders aus als in Großstadt B, aber ähnlich wie in Mittelstadt C und Landkreis D
• Ein integriertes Datenmanagement bzw. das Fehlen eines solchen sind fast überall ein Problem.
• Mehr Ressourcen allein sind nicht erfolgsentscheidend. Es kommt darauf an, wie das Geld ausgegeben wird.
• Die Varianz bei Mittelstädten ist größer als bei Landkreisen und Großstädten. Sowohl die Klassenbesten als auch die absoluten Schlusslichter in Sachen KI sind mittelgroße Städte.
• Kleinstädte sind tendenziell eher abgeschlagen mit Blick auf Prozess-, Change- und Datenmanagement für eine tiefer als ChatGPT-gehende KI-Nutzung.
• Interkommunale Kooperation ist immer eine gute Idee beim Thema KI – egal ob in Stadt oder Land. Die Zusammenarbeit spart sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen.
• Eine klare KI-Strategie ist essenziell.
Den Mitarbeitenden die „Schmerzpunkte“ abnehmen
Erfahrungen in Sachen KI aus Deutschlands kleinstem Landkreis brachte Sabrina Donner mit aufs Panel. Sie leitet die Stabsstelle Digitalisierung beim Landkreis Lüchow-Dannenberg, wo bereits zehn KI-Projekte am Start sind, zwei davon wurden eigens für die Bedürfnisse vor Ort entwickelt. Begonnen hätten sie mit den „Schmerzpunkten“, den Aufgaben, über die alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter irgendwie klagen – wie der Protokollierung von politischen Gremiensitzungen. „Die nehmen wir ihnen mit KI ab.“ Was bisher zwei bis drei Arbeitstage gekostet habe, sei dank KI nun an einem halben zu schaffen. Das zeige den Mitarbeitenden: Wir wollen dich entlasten und nicht deinen Job abschaffen.
Der Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen, das ist ein Schwerpunkt, den Dorothea Prell, Smart City-Beauftragte der Stadt Jena, legt. Für die Entwicklung eines multifunktionalen Chat-Systems für die Kommunikation innerhalb der Verwaltung, aber auch zwischen Bürgerinnen, Bürger und Verwaltung, arbeitet ihre Stadt mit der Gemeinde Süderbrarup in Schleswig-Holstein zusammen an einem auf Open Source basierenden Basissystem, das künftig auch von weiteren Kommunen genutzt werden kann. Prell plädierte für lokale KI-Kompetenzzentren, etwa auch mit Hochschulen: „Sucht euch Verbündete, vernetzt euch.“
Beispiele aus der Praxis brachte auf dem Panel auch Dr. Annika Busse ein. Sie ist kommissarische CIO der Freien und Hansestadt Hamburg und verantwortet die IT-Steuerung der Stadt. Mehr als 50 KI-Projekte seien in Hamburg derzeit in verschiedenen Stadien – vom Piloten bis zum vollen Betrieb – aktiv. KI unterstütze zum Beispiel die Wasserschutzpolizei bei der Detektion nichtdeklarierter Gefahrengüter in Containern im Hafen. Die Hamburger ChatGPT-Version LLMoin soll die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Texterfassung entlasten. „Deren Einsatz ist auch eine gute Möglichkeit, den Mitarbeitenden zu zeigen, dass sie keine Angst vor KI haben müssen“, so Busse.